Veränderung erfolgreich zu gestalten ist sowohl im Sport als auch in Organisationen eine Kunst für sich. Dabei stellt sich immer wieder die Frage: Sind es die bewährten Methoden und bekannten Strategien, die den Erfolg bringen, oder ist es ein flexibles, individuelles Vorgehen? Im Sport wie im Management gilt: Strategien und Methoden können eine wertvolle Grundlage sein – aber der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Anpassung an die individuellen Voraussetzungen und Ressourcen. Aber das ist ja nicht neu! Warum aber scheitern dann am Ende so viele Transformationsprojekte in Unternehmen, warum ist eine nachhaltige Veränderung so schwierig?
Lernen von den Besten: Standardpläne vs. individuelle Ansätze
Die erfolgreichsten Trainer im Sport sind oft nicht die, die einen „perfekten“ Plan aus der Schublade ziehen, sondern die, die sich auf die besonderen Bedürfnisse ihrer Athleten oder Teams einlassen. Sie analysieren genau, was das Team und die Sportler mitbringen – körperlich und mental – und entwickeln basierend auf diesen Voraussetzungen eine eigene Strategie.
Ähnlich wie im Sport setzen viele Unternehmen auf bewährte Methoden für ihre Veränderungsprozesse, besonders dann, wenn es um komplexe und weitreichende Transformationen geht. Studien zeigen jedoch, dass etwa 60 bis 80 % solcher Projekte letztlich scheitern (Kühl, 2011; Moldaschl, 2009). Der Grund: Was in einem Unternehmen oder in einem Marktumfeld erfolgreich war, lässt sich oft nicht einfach kopieren und in eine neue Umgebung übertragen. Anstatt auf eine komplexere individuelle Lösung zu setzen, wird häufig der Weg des vermeintlich geringeren Widerstands gewählt – ein potentielle Fehlerquelle, die Trainer:innen und Führungskräfte in eine Sackgasse führen kann.
Warum das Erfolgsrezept eines Unternehmens nicht überall wirkt
Der Spruch „never change a winning team“ ist zwar motivierend, führt jedoch oft in die Irre. Erfolg im Sport zeigt immer wieder, dass Anpassungsfähigkeit und Kontextsensibilität die ausschlaggebenden Faktoren für nachhaltigen Erfolg sind. Ähnliche Tendenzen sind in Organisationen zu beobachten, die bewährte Managementmethoden übernehmen, ohne die eigenen Rahmenbedingungen ausreichend zu analysieren. Die Einführung einer Methode vermittelt oft eine trügerische Sicherheit – als könne der Erfolg „standardisiert“ werden. Doch die Einführung einer Methode allein kann die Komplexität von Veränderungsprozessen nur bedingt abbilden.
Organisationen, die wie im Sport auf bekannte oder gerade „gehypte“ Methode setzen, laufen Gefahr, wichtige individuelle Rahmenbedingungen zu übersehen. Dabei stellt sich die Frage: Passt die ausgewählte Methode überhaupt zur eigenen Wertschöpfung, zur eigenen Unternehmenskultur, zu den internen Strukturen und zur Art der gewünschten Veränderung? Ein erfolgreicher Sporttrainer würde niemals eine identische Strategie für zwei verschiedene Teams oder Athlet:innen anwenden, da jede:r seine eigenen Stärken, Schwächen und Dynamiken mitbringt.
Die Bedeutung der Rahmenbedingungen: Ein klarer Blick auf die Ressourcen
Veränderung braucht mehr als eine Methode, und die Anpassung an die Rahmenbedingungen spielt eine Schlüsselrolle. Führungskräfte und Unternehmen können sich hier von Trainern einiges abschauen: Diese analysieren zuerst die Rahmenbedingungen und Ressourcen genau und überlegen, wie diese gezielt in die Strategie eingebunden werden können. So lässt sich das Potenzial des Teams maximieren, und die geplanten Maßnahmen haben eine größere Erfolgsaussicht.
Ein gutes Beispiel hierfür ist auch die Metapher eines Lego®-Modells: Nur weil ein Bauplan vorhanden ist, bedeutet das nicht, dass die Umsetzung gelingt. Fehlen wichtige Bausteine, bleibt das Modell unvollständig. Ähnlich verhält es sich in Organisationen, wenn eine Methode angewendet wird, ohne die Verfügbarkeit der Ressourcen zu überprüfen bzw. die Passung der Teile.
Die Umsetzung einer Methode wird dann erfolgreich, wenn die Basis im Unternehmen vorhanden ist und die spezifischen Rahmenbedingungen und Ressourcen bei der Auswahl und Umsetzung berücksichtigt werden. Auch Stouten et al. (2018) betonen, dass kein einziger Ansatz alle Variablen und spezifischen Situationen abdecken kann, und dass die Veränderungsstrategie daher an die spezifischen Bedürfnisse der Organisation angepasst werden muss.
Zwischen Theorie und Praxis: Welche Methoden wirklich wirken
Unternehmen fühlen sich häufig zu den neuen, gerade „gehypten“, Managementmethoden hingezogen, ohne jedoch ausreichend zu prüfen, ob diese Methoden zu den tatsächlichen Herausforderungen passen. Wirft man einen Blick in die Theorien zu Change-Management, zeigt sich weiters auch noch die Unterscheidung zwischen Veränderungen erster und zweiter Ordnung. Veränderungen erster Ordnung sind Anpassungen, die sich auf Prozesse und auf die bestehenden Strukturen fokussieren. Veränderungen zweiter Ordnung hingegen gehen tiefer und wenden sich mit einem zweiten Blick auch den zugrundeliegenden Annahmen und Mustern zu – der einflussreichen Unternehmenskultur.
Ein:e Sporttrainer:in würde beim Aufbau eines Athleten in ähnlicher Weise diese beiden Ebenen beachten: die Anpassung von Ausdauer und Kraft einerseits (Veränderung erster Ordnung) und das Hinterfragen und Anpassen der gesamten Strategie, wenn ein Athlet beispielsweise seine Technik grundlegend neu aufsetzt (Veränderung zweiter Ordnung). Nur durch eine konsequente Unterscheidung und den gezielten und individualisierten Einsatz von Methoden kann echte Veränderung gelingen – sowohl im Sport als auch im Unternehmen.
Fazit: Maßgeschneiderte Organisationsberatung als Schlüssel für eine nachhaltige, erfolgreiche Transformation
Im Sport wie in der Organisationsentwicklung gibt es keine „One-Size-Fits-All“-Lösung. Was eine:n Trainer:in erfolgreich macht, ist die Fähigkeit, flexibel auf die spezifischen Voraussetzungen seines Teams einzugehen und die Strategie kontinuierlich anzupassen. Dasselbe gilt für Unternehmen und Berater:innen: Die Fähigkeit, eine Methode individuell an die Rahmenbedingungen und Ressourcen anzupassen, erhöht die Chance auf eine erfolgreiche Umsetzung.
Jeder Weg zum Ziel verläuft unterschiedlich, je nachdem, welche Rahmenbedingungen oder Marktsituationen vorliegen. Für Unternehmen lässt sich daraus ableiten, dass sich der scheinbare Mehraufwand einer individualisierten Gestaltung der Veränderung oder ein „Feintuning“ einer passenden Methode am Ende auszahlen wird. Bei der Entscheidung über das Vorgehen scheint dies oft aufwendiger und komplexer zu sein, aber darf es das nicht auch sein, um damit den immer höheren Anspruch der volatilen Veränderungen, des Marktes und der Mitarbeitenden gerecht zu werden und so erfolgreich zu bleiben. Somit kann eine maßgeschneiderte Organisationsberatung zu einer erfolgreichen Transformation beitragen.
In einem meiner nächsten Blog-Artikel werde ich das Thema noch weiter vertiefen, dahingehend, welche Veränderungswiderstände, unabhängig der Methoden, einer Transformation im Weg stehen können. Auf der einen Seite zeigt sich, dass individuelle angepasst Veränderungskonzept erfolgreicher sein können, aber auf der anderen Seite bedarf es in der Umsetzung der Freisetzung von Begeisterung bei den Mitarbeitenden sich einer Veränderung auch ganzheitlich anzuschließen, um diese erfolgreich zu machen.
Die Veränderung muss langfristig institutionalisiert und in die täglichen Abläufe integriert werden, um eine dauerhafte Umsetzung zu gewährleisten. (Stouten et al.; 2018)
Quellen: Kühl, Stefan (2011). Das Gesetz des Scheiterns von zwei Dritteln aller Projekte. Working-Paper 10/2011; Moldaschl, M., 2009; Erkenntnisbarrieren und Erkenntnisverhütungsmittel; Stouten, J., Rousseau, D. M., & De Cremer, D. (2018). Successful organizational change: Integrating the management practice and scholarly literatures. Academy of Management Annals, 12(2)